B a u h e r r e n p r e i s   2 0 2 2


QUELLE: Sächsische Zeitung - 05.08.2023

Autor: Ingo Kramer, Foto: Paul Glaser Fotografie

 

Görlitzer Architekten sind jetzt preisgekrönt
Lisa Beyer und Marko Brussig haben sich 2018 selbstständig gemacht. Seither sind einige Häuser unter ihrer Regie saniert worden. Das überzeugte nun auch eine Jury.
Damit gerechnet hatten Lisa Beyer und Marko Brussig nicht. Dass es geklappt hat, freut die beiden Görlitzer Architekten aber ungemein: Zum allerersten Mal haben sie sich auf einen Preis beworben – und am Ende sogar doppelt abgeräumt.
Die Rede ist vom Bauherrenpreis, dotiert mit 1.500 Euro, der von der AG Historische Städte vergeben wird – einer Arbeitsgemeinschaft, der auch Görlitz angehört. Erhalten haben sie ihn für die hochwertige Sanierung des Hauses Lunitz 6c in der Nikolaivorstadt. „Ein wichtiges Kriterium der AG ist zeitgemäßes Wohnen im historischen Kontext“, sagt Marko Brussig. Und, ergänzt Lisa Beyer, „dass das sanierte Haus hinterher voll vermietet ist, spielt auch eine Rolle.“ Beides ist in der Lunitz 6c erfüllt.
Die beiden nahmen sogar noch einen zweiten, einen Anerkennungspreis mit: Bei der Sanierung des Obersteinwegs 7 – drei lange verfallene Wohnhäuser, die heute voll vermietet sind – waren sie ebenfalls als Planer beteiligt. Dieser Preis ist mit 500 Euro dotiert. Lisa Beyer und Marko Brussig mögen den Mix aus Altem und Neuem, aus Historie und Moderne – und liegen damit offenbar nicht ganz falsch.
Dass sie einmal gemeinsam in Görlitz tätig sein werden, war ihnen nicht in die Wiege gelegt. Letztere stand bei Marko Brussig in Görlitz. Der heute 43-Jährige studierte von 2002 bis 2006 in Dresden Architektur – und kehrte direkt nach seinem Diplom-Abschluss in die Heimat zurück, wo er im Architekturbüro Kück anfing.
Lisa Beyer ist sieben Jahre jünger als er. Sie wurde in Zschopau geboren und absolvierte ihr Architekturstudium von 2006 bis 2012 an der Hochschule Bochum. Sie schloss es mit einem Master ab – und wollte dann wieder näher an die Heimat. Zunächst fand sie eine Stelle in Dresden, anschließend bewarb sie sich auf eine ausgeschriebene Stelle im Architekturbüro Kück. Im Januar 2015 fing sie bei Kück an – und lernte Marko Brussig kennen.
„Dort haben wir dreieinhalb Jahre zusammengearbeitet und gemerkt, dass wir eine ähnliche Herangehensweise an die Sachen und den gleichen Anspruch haben“, sagt Marko Brussig. Irgendwann kam dann beiden der Gedanke, in die Selbstständigkeit zu gehen. Früher oder später hätten sie sich ohnehin neu orientieren müssen, denn Wolfgang Kück war dem Rentenalter nahe. Im August 2018 – Kück war damals 64 Jahre alt – gingen sie schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit.
Ein konkretes Projekt für den Start
„Mit dem Obersteinweg 7 hatten wir ein konkretes Projekt, mit dem wir starten konnten“, sagt Lisa Beyer. Das war etwas, womit sie rechnen konnten, was erst einmal Einnahmen brachte. Sie nannten ihre Firma „beyer + brussig architekten PartGmbB“ und eröffneten ihr Büro auf der Jakobstraße 5a, im zweiten Stock über der damaligen Jakobpassage.
Dort sind sie bis heute zu finden – immer noch zu zweit. Ein großes Wachstum ist auch nicht geplant: „Wir sind gut ausgelastet, aber aktuell ist es zu zweit zu schaffen“, sagt Marko Brussig. Ab und zu hatten sie einen Praktikanten, für eine Weile auch einen freien Mitarbeiter, einen Zeichner. Aber für ihn gibt es derzeit nichts zu tun. Wenn sie eine neue Anfrage bekommen, treffen sie sich immer zu zweit mit dem Bauherrn und schauen sich das Objekt an. „Die Chemie muss stimmen, sonst funktioniert es nicht“, sagt Lisa Beyer.
Entscheidungen treffen sie gemeinsam
Ob sie den Auftrag annehmen, entscheiden sie gemeinsam. Und dann beraten sie, wer das Objekt federführend übernimmt. Der andere bleibt aber auch involviert: „Es ist ein großer Vorteil, jemanden zu haben, mit dem man es besprechen kann“, sagt sie. Zudem könnten sie sich dann bei Krankheit gegenseitig vertreten.
Aber an sich kann jeder alle Leistungsphasen übernehmen, sagt Marko Brussig: „Lisa macht die Bauleitung genauso selbstständig wie ich.“ Klar, sagt sie, wenn man erstens relativ jung ist und dann auch noch weiblich, könne es schon mal vorkommen, dass einem die Bauleitung nicht zugetraut wird. „Aber das dauert nur drei bis vier Termine, dann ist es erledigt“, sagt sie: „Dann hat der Bauherr gemerkt, dass ich das nicht zum ersten Mal mache.“
Neue Bauherren kommen auf Empfehlung
Neue Bauherren haben sie manchmal auf Empfehlung von anderen Bauherren oder oft auch über ein Görlitzer Immobilienbüro gefunden. So kommt es, dass sie nach dem Komplex Obersteinweg 7 noch einige weitere Häuser in der Nikolaivorstadt betreut haben: Lunitz 12a und 6c, aktuell den Neubau Obersteinweg 20a als Lückenschluss sowie das Haus Nikolaigraben 18. Doch auch anderswo haben sie geplant, etwa auf der Peterstraße 13, der James-von-Moltke-Straße 47 oder auch das neue Eingangsgebäude für das Jahnbad in Weißwasser – ein öffentlicher Auftrag.
Aktuell sind sie auf den zwei Baustellen in der Nikolaivorstadt und auch in der Emmerichstraße 48 tätig. Dort wird ein Vorderhaus saniert und hofseitig um einen fünfgeschossigen Neubau ergänzt – als Ersatz für einen schon vor langer Zeit abgerissenen Anbau. „Außerdem haben wir jetzt den Auftrag für die Komplettsanierung eines Schlosses in Radibor bei Bautzen bekommen“, freut sich Lisa Beyer. Das sei ein recht verfallenes, statisch schwieriges Gebäude mit einem komplizierten Dachstuhl, bei dem großes Augenmerk auf die denkmalgerechte Sanierung gelegt wird: „Das ist anspruchsvoll und legt noch einmal eine Schippe drauf zu dem, was wir sonst so machen.“ Den Auftrag haben sie auf einen Hinweis des Restaurators hin bekommen.
2021 mussten sie teilweise Aufträge absagen, weil es nicht mehr zu schaffen war. „Das hat sich etwas beruhigt“, sagt Marko Brussig. Wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und den steigenden Bauzinsen sei die Nachfrage nicht mehr so groß wie damals. Bange wird ihm deshalb aber nicht: „Wir arbeiten bestehende Aufträge ab – und uns stehen ein paar interessante Sachen bevor.“ Mit dem Bauherrenpreis in der Tasche dürfte das Finden neuer Projekte nicht schwerer geworden sein.